Ist es nicht eine merkwürdige Sache, in demselben Text über subjektive Erfahrung, politische Strategie und die Natur menschlicher Beziehungen zu sprechen und doch - zu erwarten dass das _Denken_ eines sei? Gerade jetzt, da wir die Multiplizität als so tief eingebunden in alle denkenden Momente unserer Existenz erkannt haben, ist die "Einheit" des Denkens, vom Verlangen ebenso wie von Ausdruck und Rhetorik, fraglich geworden. Und gerade darum denke ich, zuerst einige Reflektionen darüber vorlegen zu müssen, warum ich denke, dass meine eignen, phänomenologischen, rein subjektiven Beobachtungen, über die Affirmation ihrer eigenen Authentizität (welche ja auch von ihrem Gegenteil nicht so verschieden ist wie von ihrem Gebrauche) hinaus einen Grund dafür haben können, benutzt und verstanden zu werden für diese weitere Suche nach einer Art Sinn, oder Verständnis von diesen Elementen in der Welt, welchen sie, als singuäre Reflektionspunkte derselben, entsprachen, und in gewisser Weise verkörpern können (in der Weise, wie Leibniz gemeint hat, dass jede Monade das ganze Universum ist), aber ja nie doch ganz erreichen, oder als ganze sein können, und als welche ich darum nach Verständnis strebe, in Vergebung wie im Lachen, um ein Licht von der absoluten Einheit aller Dinge im Denken zurückzuerhalten, von welcher gerade diese Erfahrung, die ich hier beschreibe, dann bereits ein Kritikpunkt wird, oder welches Ziel, während ich versuche sein göttliches Gelächter zu finden, ich gerade erschaffe, inmitten der Absurdität es zu finden, während ich weiß dass es nicht sein oder nicht erreicht werden kann oder beides (oder ist da überhaupt ein Unterschied?), schon es über sich selbst gelacht habend, und welches Gelächter ich darum, durch die Reflektion auf meine eigene Bedingung des Strebens, im höchsten Maße dadurch ehren kann, dass ich es in dieser seiner Reflektion zu verstehen lerne, zurückreflektiert zu mir in meinen verzweifelten Versuchen, in solch allgemeinen und universalen/singulären (als eines/das Selbe) Begriffen, das Ganze zu verstehen, an dessen Verständnis ich arbeite, oder vielleicht auch in meinen Versuchen es lustig zu finden (wie ja auch in diesem Satze), und vielleicht sogar darin noch weit mehr. Aber genug des meta-meta-ironischen Ηumors von der Form der Komödie meines Geistes. Was will ich hier tun? Wie kann ich ernsthaft erwarten, dass so verschiedene Momente fähig sind, Momente einer einzigen Bewegung, einer Aktion in meinem eignen Geist zu werden?
Die Einheit einer politischen Identität ist die eines Unterschieds. Das heißt, alle politischen Unterscheidungen sind keine einfachen Unterscheidungen - wie es etwa die Unterschiede von Farben und Zahlen sind, welche ich betrachte und unterscheide, aber welche sich nicht selbst unterscheiden, welche nicht ein Bewußtsein ihrer selbst als unterschiedener haben - sondern, sie sind bereits reflektierte Unterscheidungen; sie sind Bewußtwerdungen von Situationen, in denen Mitglieder gegenüberstehender Seiten sich selbst jeweils definieren als dem andern gegenüberstehend; und wo die _Einheit_ einer Gruppe also nicht so sehr an der Einheit der andern hängt (wie es bei äußerlich unterschiedenen Dingen der Fall ist, wo dieses dasselbe ist: dass A eines ist, und dass nicht-A eines ist, als unmittelbar verknüpftes; wenn A dann nicht eine Sache ist, dann ist es auch nicht das Prädikat "nicht-A", welches dann stattdessen gleichmäßig nach nicht-A1, nicht-A2 usw. unterschieden wird), sondern an der Einheit der Wahrnehmung des Andern, oder an der Weise, wie dieser Unterschied zum Andern aufrecht erhalten wird. Die wahre Einheit der Politik ist die Einheit eines Feindes. Und dieser Feind ist immer die Vorstellung eines Unterschieds, eine Negation; und als solche, kann man sagen, sind alle politischen Einheiten wesentlich negatorisch; sie definieren sich daher, was sie nicht sind, ebensosehr wie daher, was sie sind. Das kann vieles bedeuten: Gesetz gegen Anarchie; Demokratie gegen Aristokratie oder Technokratie; Kapitalismus gegen Sozialismus usw. In allen diesen Unterscheidungen ist das vereinigende Element das einer Unterscheidung, und der wahre Unterschied zwischen ihnen ist nicht der von ihnen, sondern auch von ihren gegenüberstehenden Ansichten voneinander, und was darin verloren oder neu gewonnen ist. Diese Art des Aneinander-vorbei-redens ist das, wovon ich meine, dass wir es rechtermaßen und in allen Bedeutungen des Wortes _Kommunikation_ nennen sollten.
Denn was mache ich doch wenn ich kommuniziere? Ich spreche ein Wort aus mir heraus und bedeute etwas damit, und ein anderer hört zu und versucht zu verstehen. Auch dort ist also dieser eigenartige Unterschied: Ich denke, dass ich verstehe, was der andre von mir denkt und versteht, und umgekehrt vom andern, aber unsre eigentliche Kommunikation findet gerade nicht statt wenn wir einander verstehen; sie passiert, wenn wir das nicht tun, und wenn die Realität der Beziehung, die Materialität der Kommunikation, stärker ist als die Idee davon, was wir denken, bereits über den andern zu wissen. Kommunikation _ist_ Missverständnis; die Art Kommunikation, von der wir denken, dass sie kein Missverständnis ist, ist auch eines, doch nur in der Form, wo durch ihren Erfolg es weniger offenbar wird, dass eigentlich niemand weiß, wie irgendjemand anders erfolgreich irgendeine Sache verstehen könnte, nur nach Worten, in die Luft gesprochen und geschrieben aufs Papier oder mit einem Computer. Die bloße Tatsache dass Ihr lesen, und halbwegs verstehen könnt, was ich hier schreibe, ist wirklich absurd! Schließlich schreibe ich hier nur einige Buchstaben auf eine digitale Seite; dies hätte genause auch von einer Maschine getan werden können, und eine Maschine könnte sie auch "lesen"; aber wir würden dies nicht wirklich das Lesen einer Seite nennen (eher das Lesen einer Datei, oder das Präsentieren und Verarbeiten einer Seite); wir nehmen an, dass ein "anderer" versteht und es kapiert. Und diese Verbindung wird am offensichtlichsten wenn das nicht passiert, und eröffnet nur dann die Bedingungen, unter welchen Kommunikation produziert wird, worin sie für sich schon als diese Sache _zwischen_ den Unterschiedenheiten konstituiert ist.
Das wird bereits zwischen uns anschaulich. Unser System konstituiert sich nicht durch erfolgreiche Kommunikation, sondern vor allem durch Fehlschläge, Kämpfe, verschiedene Ziele, fehlende Erinnerungen die zur Unzeit auftauchen usw. Die Kommunikation, die ich mit unserm kleinen habe, sind z.B. vor allem Missverständnisse; es gibt hier kein böses Blut, wie man dies Wort vielleicht auslegen könnte, sondern nur eine Form basalen Missverständnisses, wirklich nicht die Perspektive des andern zu verstehen, und daher verstehen wir dann, auf diese Weise, dass wir nicht dieselben sind. Unterscheidung ist, auf dieser Ebene, was jeweils die persönliche Beschreibung betrifft, ein Element aller Kommunikation. Und es passiert selbst mit mir selbst kommunizierend; vielleicht zu mir in der Zukunft, aber selbst gerade jetzt. Gedanken sind nicht transparant; ich weiß nicht immer was ich denke und warum, und Effekte wie De-ja-vu und das Faden-Verlieren sind offenbare Beispiele davon. Welche Einheit also ermöglicht die Sprache in diesen Netzwerken inter- und intra-alterialen und sogar gesellschaftlichen Unterschieden von Unterscheidungen? Was kann ich von der Sprache erhoffen, wenn ich weiß, dass ich den andern nicht als den andern verstehen werde?
Ich denke, dass in all diesen Fragen, und in der Verzweiflung, die bei der Konfrontation mit dem Missverständnis in der Kommunikation stets gegenwärtig ist, ein falsches Verständnis davon liegt, was Kommunikation eigentlich ist. Wenn "Verstehen" so etwas wie Gedanken lesen heißen würde, dann wäre es in der Tat ein gescheitertes Unterfangen, aber das ist es nicht, was von uns hier gefordert wird. Kommunikation passiert inmitten, zwischen uns, und kann daher überhaupt nicht direkt mit etwas verbunden werden, was im Bewußtsein geschieht. Dass _Kommunikation kein Denkakt ist_, ist wahrscheinlich die hier wichtigste Tatsache; sie hat schlicht keine Intentionalität (im Husserl'schen Sinne), sie ist kein Bezeichner, da sie nicht in der Sprache ist, sondern die Sprache selbst.
Um diesen Punkt deutlicher zu machen: Ich kann auf einen Tisch mit einem Wort verweisen, und dann kann man von der Kommunikation, die dies Wort ("Tisch" auf deutsch) benutzt, sagen, dass sie auf den Tisch verweist. Aber stimmt das? Es mag ja sein, dass der Tisch nicht existiert. Und dann wahrlich wäre der Tisch ja (ein) nichts worauf die Kommunikation verweist, so scheint es. Aber eigentlich passieren hier drei Dinge: a) innersprachlich verweist "Tisch" auf etwas vermittelst einem gewissen Eidos (Form, Begriff), der in der Sprache selbst ist, und das bleibt richtig, auch wenn der Tisch nicht existiert, denn ansonsten würde der Satz "der Tisch ist hier" keinen Sinn haben, und könnte nicht einmal falsch sein; b) gedanklich verweist der Begriff _Tisch_ den wir haben (oder besser, den jeder von uns einen hat, als verschiedene Begriffe, welche die selben sein mögen oder auch nicht, ich werde mich hier nicht auf die Diskussion von Mono- gegen Polypsychismus und die Vorstellung geteilter Begriffe einlassen) auf ein Ding, welche jeder von uns durch die Sinne erfasst (und welche daher, selbst im Monopsychismus, zwischen einzelnen Personen, die der sinnlichen Wahrnehmung fähig sind, verschieden sind); diese Referenz ist dann vorhanden oder nicht, und muss daher wirklich auf den realen Tisch verweisen; und c) haben wir auch noch etwas, was wir _objektive Referenz_ nennen könnten, welche innerhalb der Sprache entsteht, durch Diskussion, im Reden miteinander darüber, welche unserer Wahrnehmungen und Verständnisse eigentlich wirklich den Satz für wahr ansehen müssen, wofür es dann einen "objektiven Gegenstand" erzeugt, welchen niemand wirklich sieht, aber worauf die allgemein anerkannten Hypothesen objektiven Wissens verweisen. Es ist nun wichtig zu verstehen, dass Missverständnisse und Unklarheiten wirklich entstehen, aber nicht, weil Sätze keinen Gegenstand haben; sondern weil _der Eidos eines Satzes keine subjektive oder objektive Realität sein kann. Innerhalb der Kommunikation - d.h. den Akten des Sprechens und Hörens von Sätzen - wird eigentlich _zwischen den so Korrespondierenden_ auf kein Objekt verwiesen. Jeder einzelne - Person A und Person B - mag einen Begriff von dem Objekt haben, worüber so geredet wurde; und sie mögen, um eine "objektive Erkenntnis" zu erlangen, diese zueinander korrespondieren lassen und übereinstimmen oder nicht übereinstimmen in einigen Qualitäten; allerdings wären diese Qualitäten, um im Beispiel zu bleiben, nicht solche vom "Tisch" sondern vom Tisch, d.i. nicht vom Wort und seiner sprachlichen Bedeutung, sondern von einem gemeinsamen Objekt, was keiner von beiden hat, wovon aber beide glauben, das ihre Interpretation des Wortes es (wie immer schlecht) annähert. (In andern Worten, ihr Missverständnis _ist_ gerade das, worauf sie als _objektive Realität_ verweisen; diese Realität ist die Realität, oder die wirkliche Auswirkung (Wirklichkeit im wörtlichen Sinne), von ihrem Missverständnis, materialisiert als eine Art "kleinster-gemeinsamer-Nenner"-Objekt.)
Das heißt, dass kein Satz wirklich eine Bedeutung hat, so wie ein Gedanke ein Objekt hat; es gibt hier kein Intentionalitätsverhältnis, sondern jeder Teilnehmer muss seine eigene Intentionalität arbeiten lassen, und zusammen können sie eine Art objektive Idee erzeugen; aber es ist nicht so, dass unsere Gedanken, wenn sie (noch) ungeteilt sind, die Kommunikation bedeutungslos machen würden, sondern, die "Bedeutung" ist materiell (nicht intentional) konstituiert in der jeweiligen Interpretation eines Satzes von jeder Person. Die Bedeutung nicht so etwas, was einfach im Satz aufbewahrt woreden wäre; sie ist kein zu bergender Schatz; sie ist _der Akt des Bedeutens_, wodurch Personen, in einer bestimmten Situation, eine Idee, die sie (woher auch immer, man mag glauben von ewigen Platonischen Formen oder von bloßen Sinnesdaten) haben, in einen Klang hinein bedeuten. Dieser Akt des Bedeutens übersteigt das Missverständnis; oder besser, Missverständnis ist sein Resultat, und seine institutionalisierte Form. (Oder der Akt des Bedeutens ist der Versuch, diese Form zu übersteigen, eine unmögliche Einheit zu erzeugen.)
Wenn wir die Gesellschaft im allgemeinen als Menge versteinerter, institutionalisierter Missverständnisse verstehen, als ein Haufen historischer Zwischenfälle (was, wie ich denke, dem gegebenen Zustande der Welt am angemessensten ist, ihrem Schlechten und überraschenden Guten gleichermaßen), dann können wir _Fehlkommunikation als den fundamentalen sozialen Akt_, als Urform* der Sozialisation verstehen. Durch Fehlkommunikation ist etwas zwischen uns gesetzt, womit wir beide umgehen müssen; und dadurch kann dann überhaupt so etwas wie Gesellschaft entstehen. Nicht durch ein magisches "Verständnis", nicht durch ein goldenes Zeitalter der Harmonie (welches ja auch nur solche sich vorstellen, die naiv genug sind denken, dass solch ein Einverständnis golden wäre, wenn es in sich schon die Frucht seiner eignen Zerstörung getragen hat - chaos omnia tegit...), sondern durch den fruchtlosen Prozess der Verwaltung von Konflikten und Meinungsverschiedenheiten, dem Versuch, in dem Missverständnis, das das konstituiert, was wir unsere "gemeinsame Welt" nennen, zu arbeiten, und welches denn auch wirklich der Weg ist, worin ich in meinem eignen Bewußtsein die Unterschiede und Verschiedenheiten zwischen meinem eignen Geist und Denken, und meinen und anderer Leute Sprechakten und ihren jeweiligen Interpretationen, Assoziationen und Protentionen der Bedeutung (ob innen oder außen, in der physichen Welt gleichwie wie in der Innenwelt) sehen kann.
Die Einheit von politischer Identität ist deutlicher geworden. Ebenso wie auch das Missverständnis in mir/uns als System. Es ist sogar, wie dargestellt, als Struktur innerhalb meines eignen Bewußtseins (in der Gegenwärtigkeit von so etwas wie einer "Welt") offenbar geworden. Was vereinigend ist, ist gerade diese Differenz, und was kommunizierend, ist nicht die Bedeutung eines Wortes, sondern seine Wirkung, Bedeutung zu stiften, sein Akt des Sprechends und Hörens, und des Bedeutens einer Bedeutung in einen Klang. Auf diese Weise erscheint die Einheit der Welt als Einheit des Rhetorischen. Die geteilte Welt ist gerade nicht Eidos, nicht reine Form; sie ist Doxa - Meinung, Hypothese. Sie ist, um die Platonische Metapher zu bemühen, der Schatten, der der Dreck der Realität. Aber es ist im Lauf durch diese Schatten und beim Spiel mit diesem Dreck wo wir unser Leben verbringen, und nur ausnahmsweise, durch schwere Reflektion, uns an die Kontingenz dieser "geteilten Welt" erinnern, an ihren ontologischen Status, als nicht so sehr auf verführerischen Elementen rhetorischer Schlagfertigkeit beruhrend, als auf einem Wortwitz. In dem Lachen über das Reale klingt sein Ursprung zurück; dass seine "Realität", seine Konstruiertheit, absurd ist, aber solchermaßen, dass es seine Worte des Ausdrucks so verbiegt dass sie wahr werden, oder sogar in dieser Konstruktion erst erzeugt, so dass nur in der Kreation von völlig abseitiger Bedeutung - des Scherzes, und am reinsten, des Wortwitzes - uns dieser Ursprüng zurückscheint, und der Schmerz, daraus er geboren ward, sichtbar und verständlich in jeder künftigen Fehlkommunikation, so sie darauf beruht.
Aber das ist ja Ästhetik, mag man sagen, und mit Recht. Die Einheit von Politik ist keine ästhetische, und ebensowenig ist es die persönliche; der Scherz, oder ebenso die Verführung, ist nur eine Reflektionsform dieses allgemeinen gesellschaftlichen Schemas. Das eigentliche politische, historische Missverständnis ist nicht so leuchtend; es ist institutionalisiert, versteinert. Die reale Form dieser Institution ist die _von einem Missverständnis in Form einer Kommunikation ohne Teilnehmern_. Lasst uns das auch genauer erklären, da die vorige Exposition vielleicht das Verständnis zu sehr auf die subjektive Seite gezogen hat, oder auf das Verständnis im Missverständnis (anstelle, wie man sagen könnte, des Missverständnisses _inquantum_ Missverständnis, insofern es es selbst ist und für sich selbst nichts als es selbst). Man nehme die Institution der Wirtschaft: In einer kleinen, vereinfachten Gemeinschaftssituation, kann man sich die wirtschaftliche Interaktion als individuelle, als Tausch, vorstellen. In dieser Situation ist das Missverständnis dann sehr konkret: Ich denke, dass ein Objekt einen bestimmten Wert hat, während die andre Person weiß, dass es eigentlich einen kleineren Wert hat (sei es in Produktion, oder selbst im Tausch); denn der Kauf des Artikels, die rein ökonomische Seite daran (neben dem unterschiedenen sozialen System der Produktion) basiert auf diesem Missverständnis, und das ausgetauschte Geld repräsentiert, auf versteinerte Weise, dies Missverständnis. Denn in einer konkreten sozialen Situation, ohne Geld und Staat usw., wäre das Missverständnis darüber, wie sehr/viel jemandem etwas zusteht/geschuldet wird, und Meinungsverschiedenheiten solcher Art; aber ohne solche direkte Interaktion, verschiebt sich der "Wert" von einer subjektiven Qualität zu einem quantifizierten Ausdruck von den Wertideen vieler Leute, und die verschiedenen Missverständnisse ebnen sich in die wirtschaftliche Struktur der Gesellschaft. Das ist es, was ich mit "Versteinerung" meine; nicht das Beibehalten von Streitigkeiten, sondern die Bewegung von Streitigkeiten zu berechenbarer Schuld. Aber das ist hier nur ein Beispiel. Das politische System versteinert verschiedene Ansprüche zur Autorität und Diskussionen darüber, was Gesetz sein soll, in "politische Positionen", wovon die Personen, die sie haben, im Missverständnis sind, dass sie übereinstimmen, wenn wirklich sie sich nur über das Negative einig sind. Das ist hier das wichtigste: Politische Positionenen sind auch _versteinert_. So schön wie die Idee der Kommunikation, wie sie zuerst dargestellt wurde, auch ist, sie erfasst das politische System nicht wirklich. Sie erfasst _politische Debatten_, sofern diese Debatten die persönlichen Interaktionen/Unterschiede/Dispute sind, davon das System versteinert ist; aber das politische System basiert nicht auf realer Debatte, sondern auf _einer eingebildeten Debatte, auf der Einbildung davon, was die Dabatte sein sollte_. Und diese Art der Versteinerung ist eine klare Einteilung; etwas, das nicht so sehr politisches und allgemeines Denken innerhalb des Bewußtseins, sondern politische und philosophische, künstlicherische, wissenschaftliche etc. Arten der Kommunikation in der Gesellschaft unterscheidet.
Wenn ich daher, von meinen eignen persönlichen Erfahrungen und subjektiven Perspektiven ausgehend, darüber sprechen kann, über politische Fragen, dann nicht durch Ignoranz der existierenden Versteinerung, oder Leugnung, nicht einmal durch vollständige Reform davon (da dies, zumindest innerhalb der gegebenen Strukturen der Gesellschaft, fast unmöglich ist); sondern durch Bewegung, leichte Verschiebung; den Begriffen, bisher fixiert, eine flexiblere Position zu geben; um dann, auf diese Weise, mit den übergreifenden Unähnlichkeiten der Möglichkeitsräume individueller Begrifflichkeit zu der Striktheit und Konformität öffentlichen Ausdrucks umgehen zu kännen.
Das hier ist, mehr als alles andre, eine Reflektion über den politische Verwendung von Sprache, und die Art, wie sie verändert werden könnte; eher eine Reflektion darauf, wie wir gewisse Verwendungen von Worten für ungenau halten etc.; als dass es selbst ein politischer Handlungsaufruf wäre. Es _könnte_ das werden, aber nur rückblickend. Man muss aber sehen, dass selbst so abstrakt lexikographische Fragen, wie die, wo die Grenze zwischen "plural" und "dissoziativ" zu ziehen sei (wie es später zur Betrachtung stehen wird), ziemlich direkte Auswirkungen haben, und das nicht nur im Kontext der "Community". Denn in diesen Horizonten der Phantasie, dass wir darin erst konzipieren, was _getan werden sollte_, dass es, dann viel später, auch bestimmen wird was _getan wird_ (eine gezogene Linie allerdings die ebenso nur Projektion ist, und darum nie ganz genau). "Bloß sprachliche Fragen" haben eine Bedeutung außerhalb der Debatte, und dass eher in der Grammatik ihrer Verwendung, als im Gehalt ihrer Definition.
Aus diesem Grund denke ich, dass folgendes in andern Forschungsbereichen untersucht werden sollte (teilweise realisiert in andern Texten der Sammlung): A) eine Klassifizierung, in allgemeinsten Begriffen, von den phänomenologischen Strukturen die die Phänomene der Pluralität, Dissoziation und ähnliches umgeben. Dies mag nicht so detailliert sein, wie ich wünschte, dass ich es geben könnte, auch nicht so quellenbasiert, und sicherlich nicht vollständig. Der Hauptzweck ist hier eher einen Umriss des _minimal notwendigen Umfanges_ von Phänomenen zu geben, die dort beschrieben sind, um jegliche Bedeutungen in diesen Begriffen abzuschätzen. B) Eine Beschreibung verschiedener Arten von Definitionen (essentielle, akzidentelle, differenzielle) für die Anwendung auf verschiedentliche Modalitäten sozialer Strukturen (Gemeinschaft, Gesellschaft, das Individuum / Identität), und ihrer jeweiligen Erfolge oder Fehlschläge für die vorgesehenen Ziele. C) Diese verschiedenen Definitionsarten werden nun, aufbauend auf dem Verständnis anderer Anwendungsbereiche, auf das Phänomen von Pluralität und Dissoziation angewendet, um verschiedene Arten entgegengesetzter Selbstbegriffe pluraler Gruppen zu erzeugen. D) wäre eine Erforschung der Geschichte "pluraler" und "dissoziativer" Online-Gruppen (etwa dem Beispiel des großen historischen Überblicks von L.B.Lee folgend, mit einigen andern Quellen, insbesonders der Quellensammlung des Plural Deep Dive Projects), die versuchte, die Verbindungen zwischen den verschiedentlichen Definitionen zur politischen Struktur dieser Gruppen zu sehen, mit besonderm Nachdruck auf die Situation in der Gegenwart. E) wäre dann eine Darstellung meines eigenen Konzepts, was ich denke, was passieren sollte, und welche Art Organisation sinnvoll wäre. F) schließlich versuchte die möglichen Schritte, die in diese Richtung gegangen werden könnten, zu erklären, und zu diesem Zwecke auch die verschiedentlichen Verbindungen von Theore und Praxis zu erklären, auch in Verbindung zu den Elementen und Effekten der Politik von Verurteilung und Einlösung, und der Relationen, die wir nicht nur innerhalb und durch Kommunikation erschaffen, sondern auch durch unsre eigenen theoretischen Arbeitsweisen, woher wir unsre Gespräche beginnen und wodurch wir sie zu beurteilen pflegen, dadurch unsern eigenen Horizont von Tat und Leben erzeugend. - [Es sei angemerkt dass D) das in meiner bisherigen Forschung am meisten fehlende ist, aber durchaus ja anderswo weiter entwickelt ist, es wäre hier ein bedeutsames Projekt die abstrakteren Aspekte gegenwärtiger Sammlung mit diesen eher allgemeinern Absichten zusammenzubringen.]
Das alles ist dann also eine Beschreibung des _Sprachgebrauchs_ als Aufklärung über die Ergebnisse in den Schwierigkeiten der _Methodologie der Definition_. Von einem eher theoretischeren, mathematisch-philosophischen Hintergrund kommend, sind diese Debatten mir auch etwas neu (was ja auch eine Widerspiegelung der Tatsache sein mag, das das Englische nicht meine Muttersprache ist, und, wie Hannah Arendt einmal trefflich gesagt hat (in einem Aufsatz über die Amerikanische Kultur und die Englische Sprache), eine politischere Sprache als das eher kontemplative Deutsche, welches mir in der Natürlichkeit dieser Art von Argumentationstypen begegnet); aber ich hoffe, dass diese eher abstrakte Reflektion, ebenso wie ihre Konsequenzen, die einen politischen, aber einen theoretisierten, berechnet-politischen Hintergrund haben, als Gegengewicht zu teils überhitzten Definitionsdebatten dieser Begriffe dienen kann, wovon die Disputanten oft ebensowenig wie ihre Kontrahenten wissen oder zu verstehen suchen, durch welche Methode oder auf welche Weise sie definiert worden sind, und darum in der Hitze des Arguments, und dem Drang zu überzeugen, nicht nur ihre Überzeugung, sondern auch das, was in der Kommunikationssituation das allernötigste ist, verlieren: das jenseits deiner Überzeugung der Andre ist; und dass um zu verstehen, oder gar zu wissen, wer Verbündeter und wer Feind ist, mehr als Intution und Kenntnis der Diskussionselemente, die Art notwendig ist, auf welche, durch's Mittel von Defintion und Gedanke, du auf den andern als jemand/etwas außer dir verweist, verschieden von dir, mit dem du aber kommunizieren kannst, nicht trotz, sondern wegen und durch die Einsicht, dass du zu einem fehlleitenden Bilde sprichst; und dass das Ziel nicht ist, zum "echten Andern" zu gelangen, sondern, indem man die Differenz dieses "Andern" zum Andern einsieht, man auch die Differenz des "Selbsts" zu mir selbst einsehen könnte; oder, die Realisierung der Unwisenheit der Vernunft, die, nicht versuchend, den andern zu haben, oder mit ihm umzugehen, doch ohnmächtig glauben muss, dass sie sich kennt, und nicht selbst ihre eigene Unkenntnis ist.
Übersetzungshinweise: a) Ich habe mich entschlossen, "difference" durchwegs mit Unterschied und "differentiation" mit Unterscheidung zu übersetzen, statt zu den Fremdworten Differenz und Differenzierung zu greifen, da Differenz im Deutschen etwas quantitatives hat, und das absolut-qualitative, was "difference" (etwa im Gegensatz zu "distance" oder "(dis)similarity") ja doch hauptsächlich ausdrückt, dabei untergeht, während die Unterscheidung, durch den Bezug auf das voneinander scharf geschiedene, gerade das bedeutet. Der Unterschied der beiden Worte ist dabei auch in der Vorlage nicht allzu durchgängig durchgehalten, das entscheidende ist hier nur, Unterscheidung als Akt der Kategorisierung, und nicht als Messung zu verstehen. b) Ich übersetze "designator" mit "Bezeichner". Diese Übersetzung ist mir aus der Informatik geläufig und betont das auch im Englischen künstliche dieses Ausdrucks. b) "refer to" habe ich mit "verweisen auf" übersetzt; es bezeichnet genügend das abstrakte der Sache, und vermeidet, woran man bei "referieren" denken könnte, die inhaltlich-intentionale Seite des Referierens als Darstellen (die nicht gemeint ist, sondern nur ein sehr allgemeines Verweisen, was die Sache referieren kann, aber auch bloß auf sie zeigen, ohne sie zu erklären). c) "meaning" habe ich mit "Bedeutung" übersetzt, um den verbalen Charakter zu betonen (und auch, weil's klassischer ist, und man ja wohl "sense" als Gegensatz dazu kaum anders als mit "Sinn" zu übersetzen hat, was die andre Option gewesen wäre). d) "rhetoric" übersetze ich mit "dem Rhetorischen" statt "der Rhetorik", da eben nicht die rednerische Disziplin als Kunstfach, sondern die konkrete Ausprägung, diese gegen jene Rhetorik gemeint ist (wie ja die Disziplin im Englischen korrekter "rhetorics" genannt wird, und der künstliche Singular eher eine umgangsprachliche Verwendung in der politischen Ideologiekritik gefunden hat). e) Ich übersetze gegen Ende "redemption" als "Einlösung"; man kann hier gut die Verbindung von Erlösung mit Lösegeld, und die im Englischen damit deutlichere historische Gestalt moralicher Begriffe sehen.